Bachelorthesis - Mythische Orte
Prof. Andreas Kaiser
Prof. Markus Pretnar
Prof. Lutz Büsing
Wintersemester 2020/21
Eine Thesis beginnt mit einer Fragestellung, die es zu untersuchen gilt:
Lässt sich mit einer architektonischen Form in Gestalt eines Raumes eine Legende erzählen, die erst in 200 Jahren Ihre ganze Kraft entwickelt?
Wir möchten der BUGA 2029 unseren Stempel aufdrücken und neue mystische und mythische Orte schaffen, denen eine alte oder erfundene neue Legende die Basis gibt. Unsere Architekturen sollen Rituale oder Gesten ermöglichen, haptische und körperlich erlebbare Orte werden, in denen Bewusstsein seine Erweiterung erfährt und über die architektonische Sprache eine Geschichte transportiert wird, die sich über das Ritual vermittelt.
FUTURE OF HUMAN TOUCH
Die Menschen werden immer distanzierter, reale Begegnungen werden seltener und wir stehen hauptsächlich über social media in Kontakt. Die Zukunft der menschlichen Berührung steht kurz davor ihre Bedeutsamkeit zu verlieren. In 200 Jahren ist es möglich, dass die Menschheit vollkommen isoliert von realen Begegnungen lebt und das soziale Leben nur noch in fiktiven Onlinewelten stattfindet. Somit möchte ich einen Raum schaffen, der den Menschen wieder vor Augen führt, welche Kraft in einer realen Berührung steckt. Also möchte ich die Besucher der Buga 2029 dazu einladen sich in realer Umgebung wieder näher zu kommen und einen Kontakt herzustellen.
Der geschaffene Raum, soll die Aussage transportieren, wie wichtig es ist, eine reale Beziehung zu anderen Menschen zu haben und einer Berührung wieder die Aufmerksamkeit und Bedeutsamkeit zu geben, die sie verdient.
An der tiefsten Stelle des Gebäudes befindet sich der zentrale Mittelpunkt. Indem sich zwei oder mehr Menschen berühren, kann der Besucher hier die ganze Kraft dieser Berührung in seiner Intensität durch ein Zusammenspiel aus Klang, Bass Vibration und einem Lichtspiel wiedererleben.
Saskia Jung
Moment
...
Wohl jene Wasser drunten
Sind voller Klag‘ und Schmerz,
Stets einsam wohnt dort unten,
Wem sie gerührt das Herz.
Denn alles was vergangen,
Schwebt lockend vor dem Blick,
Es steigt aus dem Gesange
Klagend die Welt zurück.
Die Gegenwart verschwindet,
Die Zukunft wird uns hell,
Und was die Menschen bindet,
Geht unter in dem Quell.
Wer in den Schwermutswogen
Das Licht im Auge hält,
Hat hier schon überflogen
Die Banden dieser Welt.
...
Friedrich Schlegels >>Das versunkene Schloss<< 1829
Vergänglichkeit ist ein Thema das uns Menschen über alle Zeiten hinaus begleitet. Dabei geht es nicht nur um die eigene Endlichkeit, sondern die Welt um uns herum, welche sich im ständigen Wandel befindet. Friedrich Nietzsche würde dies etwa so ausdrücken: >>Das einzige worüber wir Macht haben ist das Jetzt, dass sich in seiner Einzigartigkeit und Vergänglichkeit endlos wiederholt.<<
MOMENT ist eine temporäre Installation auf dem Laacher See, die während der Dauer der BUGA 2029 für Besucher begehbar ist. Der Raum, mit seinen ständig fließenden Lichtstimmungen, macht das verstreichen der Zeit spürbar. Die Teiche in seinem Inneren fangen mit ihren Reflektionen unzählige einzigartige Momente.
Nach Ende der BUGA wird der Steg eingerollt und die Installation sich selbst überlassen. Der Anblick eines offensichtlich von menschenhand gemachten Objektes, dass einen, nicht von Menschen bestimmten, Prozess durchläuft führt uns wieder Nietzsches Erkenntnis vor Augen.
Irgendwann wird dann aber auch dieser MOMENT untergehen und das Einzige was bleibt sind die Stufen zum See und die Erinnerung der Menschen.
Ina-Maria Bernsdorf
Schleifenblick
Der Entwurf Schleifenblick wird durch eine Legende über die Bopparder Schleifenblume getragen. Diese ist als endemische Art ein Paradebeispiel für die besondere Artenvielfalt im Oberen Mittelrheintal. Leider ist sie vom Aussterben bedroht und wird durch ihr unscheinbares Erscheinungsbild oft übersehen. Der Entwurf spricht mit Hilfe dramaturgischer Mittel das Bewusstsein der Besucher an und bietet ihnen so die Möglichkeit ihre Umgebung bewusster wahrzunehmen und sich für unscheinbare Dinge, wie die Schleifenblume zu sensibilisieren. In seiner Materialität und Beschaffenheit zeigt der Entwurf durch das Spiel aus massiven und temporären Materialien die Vergänglichkeit der Artenvielfalt auf. So verschwindet das temporäre Material, welches die Bopparder Schleifenblume darstellt, aber die nächsten 200 Jahre und mit ihr auch die Schönheit und die Atmosphäre dieser Blume aus der Architektur.
Zurück bleiben die kühl wirkenden, massiven Wände, welche die Grundstrukturen der Blüte widerspiegeln und als Erinnerung an die Artenvielfalt dienen. Der Ort wird in der Bewegung erlebt, wobei der gesamte Weg als Vorbereitung auf den Bedeutungsort der Schleifenblume dient. Der Besucher hat die Möglichkeit zur Ruhe zu kommen, seine Gedanken zu sortieren und die Wahrnehmung seiner Umgebung zu schärfen, um den Ort intensiver erleben zu können. Die Architektur unterstützt diesen Prozess indem sie dem Besucher durch konzentrierte Ausblicke und Perspektivwechsel eine andere Sicht auf die Umgebung bietet. Die Architektur ist inspiriert von der Blume selbst. Die Grundstrukturen der organischen Wände spiegeln die Asymmetrie der Blütenblätter wieder und scheinen aus dem Boden heraus zu wachsen. Hin zum Zentrum verdichtet sich die Architektur durch Lamellen, die mit dem Bedeutungsort der Schleifenblume abschlieflen. Dieser Ort der Ruhe verkörpert die Atmosphäre der Schleifenblume durch im Wind wehende Stoffe. Ein Gefühl der Leichtigkeit und Geborgenheit soll den Besucher umgeben.
Thea Koop
UNISONO
Der Entwurf UNISONO basiert auf der Legende "Die Loreley und der alte Mann", welche eine Weitererzählung der Legende der Loreley ist. Der Raumentwurf erzählt die Geschichte der Liebe der beiden Protagonisten und will die damit verbundenen Gefühle atmosphärisch für die Besucher*innen erlebbar machten.
Die geschwungenen Linien von UNISONO können vom Felsen der Loreley aus zwischen den Bäumen entdeckt werden. Die versteckte Lichtung mit der Architektur liegt auf der gegenüberliegenden Rheinseite der Loreley und ist nur über einen Pfad durch ein Waldstück zu erreichen. Leicht und dynamisch windet sich der Weg UNISONOs um einen Klangkörper in die Höhe und zurück zur Erde. Die Formsprache orientiert sich an den wesentlichen Elementen der Legende: Wind, Liebe und Klang. Bei dem Begehen der Architektur erleben die Besucher*innen eine sich verändernde Atmosphäre von bedrückend und isolierend, hin zu einem Raum, der sich seiner Umgebung öffnet und sie in eine neue Perspektive entlässt.
Der Klangkörper bildet das Herzstück UNISONOs. Er hebt sich durch seine naturbelassene Metalloptik von der ansonsten weißen Architektur ab. Bei Westwind leitet die Form des Klangkörpers die Luftströme in sein Inneres zu den Klangelementen. Die Stimmen der Loreley und des alten Mannes werden für die Besucher*innen erlebbar.
Lina Hülsmann
MYOTIS MYOTIS
In die evangelische Kirche St. Anna in Bacharach-Steeg kehrt nun schon seit geraumer Zeit jedes Jahr eine Fledermauskolonie des GROßEN MAUSOHRS ein, um dort ihr Sommerquartier aufzusuchen. Die Natur ist hier noch so belassen, dass sie ein großes Angebot an Insektennahrung zur Verfügung stellt. Eine Fledermaus kann in einer Nacht mehrere tausend Insekten verschlingen, wovon wir Menschen und insbesondere die Landwirtschaft profitiert. Der Einsatz von Pestiziden wird irrelevant und die Umwelt geschont. Doch die wenigsten Menschen wissen von der immensen Rolle, die Fledermäuse in unserem Leben spielen.
Mit meinem Ort >>MYOTIS MYOTIS<< möchte ich einen neuen Mythos um die Fledermaus generieren, der von Verständnis und Mitgefühl geprägt ist. Ich möchte die Sichtweise der Menschen verändern, indem ich Ihnen die Lebensweise der Fledermäuse durch meine Architektur näher bringe und Ihnen die Schönheit dieser aufzeige. Deshalb erzählt meine Legende auch die Geschichte einer Fledermaus, die nach all dem Leid, dass sie durch die Menschen erfahren hat und all dem Hass, der ihr entgegengebracht wurde auf ein Mädchen trifft, das nicht so ist wie die anderen. Es nimmt die Fledermaus auf, schenkt ihr ein Zuhause und schützt sie vor den anderen Menschen. Das Mädchen war ihrer Zeit voraus und sah die Fledermaus vor sich als das was sie war: ein Freund in Not. Und genau diese Perspektive gilt es nun auch für uns einzunehmen.
Hannah Thiel