Kommunikation im Raum – Zeitgemäß
Prof. Markus Pretnar
Nadine Althaus
Tekle Essakia
Juliane Glaser
Sabrina Leisner
Marina Mang
Marc Metzler
Caroline Müller
Hannah-Vera Schröder
Michelle Tabarelli
Alexandra Völle
Mariola Wall
Kilian Weidig
Daniel Rattay
Maximiliane Kasper
Polina Bessarabenko
Sommersemester 2018
Gestaltung und die Moden
»Wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen« – ein ehemaliger Kollege von mir behauptete, dass dies ein argentinisches Sprichwort sei. Das glaube ich zwar nicht, aber der Einstieg in das diesjährige Thema des Seminars »KiR-Zeitgemäß, Gestaltung und die Moden« könnte kaum kürzer auf den Punkt gebracht werden. Der Anspruch, in unserer Arbeit neue Verhaltens- und Denkmuster zu reflektieren und darüber in neue Gestaltungsformen zu überführen, hat einen guten Anteil an der DNA unseres Berufes. Wäre für jede Gestaltungsaufgabe schon ein auf alle Zeiten hin mustergültiger Entwurf entwickelt, würde sich unser Schaffen lediglich im Variieren und Interpretieren dieser einen Lösung ergehen.
Zum Glück gibt es genügend Impulse und Anlässe, Gestaltung immer wieder neu zu betrachten, neu zu denken und zu hinterfragen. Aus einer grundsätzlichen Haltung heraus, sich immer wieder neu mit den Grundfragen der Gestaltung zu beschäftigen, entsteht gestalterische Innovation – in technischer, materieller, gesellschaftlicher und künstlerischer Hinsicht. Wäre dem nicht so, würden wir auf absehbare Zeit vom Mainstream, Marketinganforderungen oder einem ausgetüftelten Algorithmus unserer gestalterischen Aufgaben entledigt werden. Vermeintlich ist eine quantifizierbare »in Wert Stellung« von Gestaltung einfacher zu erfassen und zu vermarkten als der für Außenstehende undurchsichtige kreative Prozess der Gestaltfindung. Für das Quantifizierbare gibt es die Trend- und Marktforschung. Für die Seele der Gestaltung gibt es unter anderem das Gespür der Gestalter für das »Zeitgemäße«. Sicherlich ist das Gespür für das Zeitgemäße nur ein Aspekt unter vielen Determinanten der Gestaltfindung. Diesem aber widmet sich das Seminar in diesem Sommer in aller gebührenden Ausführlichkeit, um vom Teil aufs Ganze schließen zu können.So zumindest die Idee. Die Zwickmühle: Modisch zu sein und gleichzeitig Klassiker generieren zu wollen. Oder doch nicht?
Auch wenn das Wort »zeitgemäß« ein Synonym für »modisch« ist, so ist der Sprachgebrauch doch ein wenig nuancierter. Dem Modischen wird häufig etwas Suchendes, Stilfixiertes mitgegeben. Der Begriff wird mit der Lust an der ästhetischen Spielerei oder gar der (ebenfalls ästhetisch konnotierten) Provokation assoziiert. Das wiederum rückt ihn nicht selten in die Nähe der Oberflächlichkeit.
Tatsächlich bringt aber jede Mode einen Wandel der Bewertungen (quantitativ) und Wertungen (qualitativ) bestehender Systeme und trägt damit allein durch ihre Existenz zur Bewegung eben jener Systeme bei. Unsere Umwelt wird also auch permanent vom Einfluss verschiedener modischer Phänomene durchwirkt. Gleichzeitig – und absolut gleichberechtigt – ist das Zeitgemäße etwas, das einerseits dem gerade vorherrschenden bevorzugten Geschmack oder den vorherrschenden Überzeugungen entspricht. In diesem Fall »kippt« das Modische in eine Form von ästhetischer Affirmation bestehender Verhältnisse. Andererseits meint es also ebenso etwas, was gerade üblich ist: Sitte, Brauch, und Gewohnheit. Wobei wiederum genau diese Begriffe eindeutig in Richtung Tradition und Konformismus deuten und somit – gefühlt – im deutlichen Gegensatz zur bislang erörterten Bedeutung stehen.
Kurz gesagt ist das Zeitgemäße vor allem etwas, das einem ständigen Wandlungsprozess unterzogen ist, einem Wandlungsprozess bezüglich dessen, was in einem gesellschaftlichen Kontext als üblich, vorherrschend oder als dem Zeitgeschmack entsprechend angesehen wird. Und damit ist der Begriff des Zeitgemäßen genau zwischen den Polen des Modischen und des Klassischen, bzw. überspitzt gesagt zwischen Provokation und Mainstream einzuordnen. Zeitgemäße Gestaltung kommt also gut mit der vermeintlichen Zwickmühle klar, die Strömungen der Zeit aufzunehmen und gleichzeitig klassischen Prinzipien zu gehorchen. Und das wiederum ist eine wenig betrachtete Eigenheit gestalterischer Disziplinen. Das ist Theorie. Das echte Leben lässt sich nicht vollends in solchen Annahmen auflösen. Daher besuchten wir mit dem Kurs »KiR« im Laufe des Sommersemesters 2018 eine Vielzahl relevanter Gestalter und betrachten deren Umgang mit den verschiedenen Aspekten und Anforderungen rund um das Thema der zeitgemäßen Gestaltung.
Ziel, Sinn und Zweck des Seminars »KiR-Zeitgemäß«
Im Wesentlichen verfolgt das Seminar zwei Ziele: Es soll durch die Besuche und Interviews mit einflussreichen Gestaltern einen Erkenntnisgewinn auf praktischer, wie theoretischer Ebene in der Bewertung modischer Einflüsse auf die Gestaltung erwirken und in der Aufarbeitung zum Magazin ‚KiR‘ übergreifende Instrumentarien und Messkriterien entwickeln und darlegen, welche die Eigenheiten einer Epoche und eines Gestalters unter vergleichbaren Kriterien in einen Zusammenhang bringen.
Wir besuchten zum Abschluss des Kurses im Juli 2018 die Architekturbiennale in Venedig, die in diesem Jahr von Yvonne Farrell und Shelley McNamara (Grafton) kuratiert wurde. Das Thema dieser Biennale »Freespace« bot hervorragende Anknüpfungspunkte an unsere Betrachtungen. Nicht nur weil das Thema und dessen kontextuelle Positionierung in der Ausstellung an sich einen zeitgemäßen Charakter aufweist, sondern vor allem, weil jeder einzelne Beitrag den Versuch darstellt, eine zeitgemäße Aussage zu treffen.